Wer bei der Beschreibung einen schnulzigen Liebesroman erwartet, der irrt sich. Wie der Klappentext verrät, ist der Roman “ein ästhetisches Monument der Menschenkenntnis und Menschenfreundlichkeit”. Doch beginnen wir mit dem Ende, denn das ist der Anfang der Geschichte: Ferminas Ehemann verstirbt im hohen Alter auf eine sehr absurde Weise. Der Verlauf der Geschichte stellt uns verschiedene Menschen detailreich und liebevoll vor, wir wissen anfangs nicht, wen davon wir länger begleiten dürfen, um wen es letztlich gehen wird. Durch Márquez allwissende Erzählweise, seiner Liebe zum Detail und seinen teilweise unnötig erscheinenden, aber lebhaften und schönen Ausschweifungen sind wir mitten in der Geschichte gebannt. Wir spüren die Hitze, nehmen den Geruchsmix des Marktplatzes wahr, fühlen das Leid der Protagonist*innen und der Zeit. Wie gern würden wir eine von Florentino individuell verfasste Liebesbotschaft bekommen, so wie er sie, vor Liebe für Fermina strotzend, in einem Park für Verliebte für ein paar Centavos anbietet.
Stilistisch passend zu den Geschichten in den Geschichten ist auch Márquez’ Schreibstil, nutzt er doch zahlreiche Schachtelsätze und zeilenlange Sätze. Nach langem Abdriften und Eintauchen überraschen dann umso mehr seine flotten Szenenwechsel und Gedankensprünge ohne Überleitung. Doch aufpassen, denn es verbergen sich zahlreiche Weisheiten in dem Buch! Man möchte sie glatt markieren und nie vergessen. Nicht umsonst gilt der Roman als eines der bedeutendsten literarischen Werke des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Es dauert vielleicht etwas, diese vorzügliche Kost zu verzehren, aber es lohnt sich. Wir lieben dieses Buch, denn es hat Tiefgang, ist märchenhaft und melancholisch. Es hinterlässt uns mit den Fragen, was Liebe eigentlich ist und ob es stimmt, wie im Roman gesagt, dass nichts auf dieser Welt schwieriger ist als die Liebe.