Was John Boyne mit diesem Buch geleistet hat, ist auf mehreren Ebenen bewundernswert. Den
Lesern wird nach den ersten zehn Seiten der einzigartige Schreibstil ins Auge gefallen sein,
mit dem Boyne Bruno zum Leben erweckt. Zwar ist Bruno naiv, unwissend und in vielerlei
Hinsicht kindlich, doch lässt dies diese Geschichte nicht zur Kindererzählung mutieren. Durch
Wiederholungen und Anspielungen, die sich durch die gesamte Geschichte ziehen, bekommt
man als Leser das Gefühl, im Kopf des Kindes zu sein und die Welt ungefiltert durch seine
Augen zu erleben. Dadurch ist der Text leicht zu lesen und bleibt zudem in der Stimmung
passend zum doch so ernsten Thema. Lang ist es her, dass ich ein Buch so selten weglegen
wollte wie dieses. Man will wissen, wie und ob sich Bruno mit diesem neuen trostlosen Leben
abfinden kann.
Und genau hier finden sich einige Schwächen in der Erzählung wieder. Der Schreibstil ist
hervorragend, doch wird er der eigentlichen Thematik nicht durchweg gerecht. In vielen
Momenten ertappt man sich dabei, wie man sich über Brunos Naivität beschwert, welche sich
leider im Verlauf der Geschichte nicht verbessert. Hierdurch bleibt das Offensichtliche meist
unausgesprochen, was der letztendlichen Qualität, der sonst so herzergreifenden Erzählung
einen Makel verpasst. Man hört oftmals, dass das Ende dieser Geschichte den Lesern im
Gedächtnis bleibt, aber der Weg bis dahin ist dann doch eher ruhig und wird nur vereinzelt von
Ereignissen angepeitscht. Ein oder zwei Kapitel mehr zum Ende wären angemessen gewesen, um dem Buch, der unerwarteten Freundschaft und dem gewählten Thema mehr Spielraum zur
Entwicklung zu ermöglichen.
Fazit: Nichtsdestotrotz sei gesagt, dass dieses Buch zeitlos ist, zum Nachdenken anregt und literarisch
prächtig gelungen ist.