Wie muss ein guter Thriller ausschauen? Muss es hitzige Verfolgungsjagden geben, in der sich
der Protagonist/die Protagonistin von einem globalen Mysterium zum Nächsten angelt? Oder
reicht ein langanhaltendes Telefonat aus, um bei seinen Lesern den Nervenkitzel
herauszulocken? Wenn es einen deutschen Autor gibt, der sich den kreativsten
Herausforderungen in der Literaturwelt stellt, dann fällt bekanntlich ein Name: Sebastian
Fitzek. Jedes Jahr stellt sich Fitzek der wiederkehrenden Aufgabe, seinen Fans ein kreatives
Wunder zu servieren, in der er eine simple Idee aufgreift und diese in ein blutiges Konzept
verpackt. Und auch mit dieser Erzählung ist es ihm gelungen, dem Thriller-Genre eine neue
Facette zu verpassen. Und das größtenteils nur durch Dialoge.
Die Geschichte ist allerhöchstens in den ersten paar Seiten als ruhig einzustufen, denn bereits
nach dem ersten Kapitel besitzt das Buch einen Spannungsbogen, den Fitzek rasant in die Höhe
schnellen lässt. Es vergehen keine Kapitel, die nicht auf einen entscheidenden Cliffhanger
enden, und so lesen sich die ersten Seiten erschreckend schnell.
Zu Beginn denkt man, dass die vom Schicksal gepeinigte Klara “nur“ von einem
Serienkiller verfolgt wird, doch wird deutlich früh klar, dass sich eine Vielzahl an Ereignissen
um dieses scheinbar so simple Telefonat wickeln. Und selbst Jules, ihr telefonischer Begleiter,
findet immer mehr Hinweise darauf, dass seine Vergangenheit eng mit dem Leben seiner Gesprächspartnerin verbunden ist. Dadurch bauen sich immer mehr Mysterien auf, die meist
nicht gelöst, sondern sich in noch größere Fragestellungen aufspalten, um am herbeigesehnten
Ende ihre Erlösung zu finden.
Damit ist Fitzek eine logistische Prachtleistung gelungen, und wer das Buch zu Ende gelesen
hat, der wird schnell zustimmen, dass sich der Autor hierbei vom Anfang bis zum Ende im
Klaren war, in welche Richtung alle Ereignisse hinzielen. Doch gleichzeitig verlangt Fitzek
einen enorm hohen Kredit von seinen Leser:innen: Er verlangt das Vertrauen in seine Schreibkünste.
Vermehrt finden sich Momente in der Geschichte wieder, die den Leser:innen das Gefühl
geben, dass sich Fitzek mit dem Aufbau dieser Erzählung übernommen hat. Zu Viele Fragen
kommen auf, jedes Kapitel steigert sich gegenüber dem letzten und bis zu den letzten Seiten weiß man nie genau, wo man mit dem Buch und seinen Ereignissen steht. Als frischer Fitzek-
Leser kann es da einem recht leicht fallen, die Erzählung aus der Hand zu legen – auch um nach den aneinandergeketteten Spannungshöhepunkten nach Luft schnappen zu können.
Als erfahrener Fitzek-Leser weiß man dem Autor zu vertrauen. Zwar schafft es Fitzek einen zum
Schluss auf den befriedigenden „Heimweg“ zu befördern, doch geschieht dies nicht ganz frei
von Kopfschmerzen. Auch kann es passieren, dass einen die wundersamen und wirklich
unglücklichen Zufälle, die es vermehrt in dem Buch zu finden gibt, aus der Bahn werfen
können. Wenn Klaras Verfolger sie zum dritten Mal an einen zufälligen Ort wiederfinden, dann
weiß man als Leser:in nicht mehr, auf was man sich sicher verlassen kann. Doch kann dies auch
ein Mittel des Autors sein, um den Leser in den Körper von Klara eintauchen zu lassen:
Denn wie sie, so fühlt man sich als Außenstehender nie sicher vor den unberechenbaren
Ereignissen, die auf den nächsten Seiten lauern.
Fazit: Abschließend bleibt zu erklären, dass mit "Der Heimweg" ein toller Thriller gelungen ist,
der zwar an manchen Stellen die Spannung zum ungewünschten Überkochen bringt, sich aber
durch fantastische Charaktere in einem befriedigenden Ende zu einem besonderen Werk
abrundet.